Kristjan Randalu & Martin Kuuskmann
EINE REISE VOLLER EMOTIONALITÄT UND SPONTANITÄT
Der aus Estland stammende Pianist und Komponist Kristjan Randalu hat bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten, darunter eine Grammy-Nominierung. Er wurde zweimal mit dem Estonian Music Award ausgezeichnet und landete auf der „Best of 2020“-Liste der Zeitschrift „The New York City Jazz Record“. Seine Aufnahmen erschienen bei renommierten Jazzlabels wie ECM und Enja. Sein letztes Album „Dichterliebe“ wurde bei Berlin Classics veröffentlicht. Darin widmet er sich rein instrumental am Klavier dem Dichterliebe-Zyklus von Robert Schumann. Für sein aktuelles Album „Schubert Voyage“, das ebenfalls bei Berlin Classics erscheint, hat sich der Pianist erneut einen Liederzyklus der Romantik ausgesucht. Dieses Mal ist es die Winterreise op. 89 von Franz Schubert. Anstatt sich erneut solistisch ans Werk zu machen, hat er sich für das aktuelle Projekt den ebenfalls mehrfach mit dem Estonian Music Award ausgezeichneten Fagottisten Martin Kuuskmann an die Seite geholt. Für ihre gemeinsame Winterreise vermischen sie Elemente aus der klassischen Musik und dem Jazz.
Franz Schuberts Winterreise basiert auf 24 Gedichten von Wilhelm Müller. Der Liederzyklus erzählt die Geschichte eines einsamen Wanderers, der nach einer gescheiterten Liebe durch eine winterliche Landschaft zieht. In den Liedern reflektiert er seine Traurigkeit, Verzweiflung und innere Zerrissenheit, während er mit Erinnerungen und Sehnsüchten kämpft. Essenzielle Themen, die auch Franz Schubert beschäftigt haben müssen. Als er die Winterreise komponierte, war er bereits an Syphilis erkrankt und erlebte die Veröffentlichung seines Werks im Jahr 1828 nicht mehr. Seine Musik vermittelt die emotionale Tiefe und die melancholische Stimmung der Texte. Kristjan Randalu und Martin Kuuskmann greifen diese melancholische Atmosphäre in ihren rein instrumentalen Interpretationen auf und werfen ein zeitgenössisches Licht auf die romantischen Kompositionen.
Kristjan Randalu hat sich für sein Album 14 Lieder aus dem Winterreise-Zyklus zur Bearbeitung ausgesucht und ergänzt diese mit vier Eigenkompositionen: „Schreck“, „Vorschau“, „Winterschlaf“ und „Nachtwind“. In seiner Winterreise übernimmt das Fagott im Wesentlichen die Rolle des Sängers. Die Tonarten bleiben dieselben wie bei Schubert, während sich Taktart und Stimmungen ändern. Bei „Gute Nacht“ sind beispielsweise fortlaufende Triolen am Klavier über Schuberts ursprünglichen Zwei-Viertel-Takt zu hören. Diese minimalistische Polymetrik lässt einen unruhigen Puls entstehen, der die düstere Stimmung des Stücks verstärkt. „Es ist im Grunde alles notiert, bis auf die Improvisationen von Kristjan am Klavier. Das Publikum wird nicht immer heraushören, was ausgeschrieben ist und was nicht. Ich habe ein paar Solo-Parts, die durch die Decke gehen. Diese Solo-Parts hat Kristjan tatsächlich so komponiert und aufgeschrieben“, erläutert der estnisch-amerikanische Fagottist.
Obwohl Kristjan Randalu und Martin Kuuskmann als Kinder regelmäßig denselben Bus in die Musikschule von Tallinn nahmen, haben sich die beiden erst viele Jahre später in New York wirklich kennengelernt. In gemeinsamen Projekten zeigte sich schnell, dass sie Leidenschaft und Neugierde für zeitgenössische Interpretationen klassischer Musik teilen. Werke von Mussorgski und Schumann, die Kristjan Randalu neu arrangiert und bearbeitet hat, inspirierten den Fagottisten so sehr, dass die Idee entstand, sich gemeinsam Liedern von Schubert anzunehmen. „Glücklicherweise ist Martin ein virtuoser Musiker, der immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist. Darüber hinaus ist das Fagott ein wunderbares Instrument mit einem enormen Tonumfang, das in der Lage ist, sowohl Melodielinien als auch Bass-Parts zu übernehmen. Das ermöglichte mir, eine Klanglandschaft mit vielseitigen Strukturen zu kreieren“, berichtet Kristjan Randalu.
„Schubert Voyage“ ist eine respektvolle Annäherung an die Musik und die emotionale Thematik der Winterreise. Ähnlich wie das lyrische Ich im Liederzyklus auf sich selbst zurückgeworfen ist, wirft Kristjan Randalu einen eigenständigen Blick auf die Winterreise und verbindet tiefe Emotionalität mit jazziger Spontanität. Eine innovative Neuinterpretation!